Wenn ich ganz ehrlich sein darf -mit nichts anderem habe damit gerechnet!
(L.J. Finger)

Deutschland muss den Opfern des NATO-Luftangriffs im afghanischen Kundus keinen Schadenersatz zahlen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Demnach sieht das Völkerrecht keine individuellen Entschädigungszahlungen vor.
Mehr als elf Jahre nach dem verheerenden Luftangriff im afghanischen Kundus hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Schadenersatzklage von Hinterbliebenden abgewiesen. Das Völkerrecht sehe individuelle Schadensersatzzahlungen nicht vor, nur Staaten könnten Reparationszahlungen verlangen, begründeten die Richter das Urteil (AZ: 2 BvR 477/17). Außerdem habe der damals kommandierende Bundeswehr-Generalstaboffizier Georg Klein seine Amtspflichten nicht verletzt.
Geklagt hatten ein afghanischer Familienvater, der bei dem Bombardement zwei seiner Söhne verlor, und eine Frau, deren Ehemann starb. Sie wollten dafür die Bundesrepublik haftbar machen. Ihre Klagen waren aber in allen Instanzen abgewiesen worden, zuletzt 2016 durch die obersten Zivilrichter des Bundesgerichtshofs (BGH).
Bei dem Angriff auf zwei von den Taliban gekaperte Tanklaster durch US-amerikanische Kampfflugzeuge in der Nacht zum 4. September 2009 waren etwa 100 Menschen ums Leben gekommen, darunter zahlreiche Zivilisten. Den Bombenabwurf befohlen hatte der deutsche Bundeswehr-Oberst Klein. Ein Informant hatte ihm zuvor mehrfach bestätigt, dass sich dort nur Aufständische aufhalten.

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Entschädigungen generell möglich
In dem nun ergangenen Urteil hält das Verfassungsgericht Amtshaftungsansprüche wegen Auslandseinsätzen der Bundeswehr generell allerdings für möglich. Das ergebe sich aus der grundsätzlichen Bindung aller deutschen Staatsgewalt an die Grundrechte und sei heute auch allgemeiner Rechtsgrundsatz im europäischen Rechtsraum. Künftig könnte es daher durchaus Entschädigungsansprüche von Opfern deutscher Militäreinsätze im Ausland geben; dann nämlich, wenn deutsche Offiziere ihre Amtspflichten verletzten.
Während der Fall mit dem abweisenden Beschluss für das höchste deutschen Gericht damit wohl erledigt ist, beschäftigt sich der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg weiterhin mit dem Bombardement in Kundus. Dort geht es um die Einstellung der Ermittlungen gegen Oberst Klein, die das Bundesverfassungsgericht 2015 gebilligt hatte. Eine Anhörung dazu fand zuletzt Ende Februar statt. Nach Auskunft eines Gerichtssprechers ist in diesem Fall erst im kommenden Jahr mit einer Entscheidung zu rechnen.
Mit Informationen von Bernd Wolf
Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 16. Dezember 2020 um 12:00 Uhr.
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