Willkommen in der Kriegswirtschaft

Gaspreisbremse klingt viel schöner als das, was es ist: Rationierung. Wie wird das ablaufen? Na, so unauffällig wie möglich. Das größte Ziel ist es, die Haushalte ruhig zu halten. Proteste auf der Straße sind unschön. Willkommen in der Kriegswirtschaft.

Am gestrigen Donnerstag stellten Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner den „wirtschaftlicher Abwehrschirm gegen die Folgen des russischen Angriffskrieges“ vor. Nach einem langweiligen Statement des Bundeskanzlers und einem gewohnt dahinschnoddernden Wirtschaftsminister folgte der Mann für die Finanzen. Mit Liberalismus hat die von ihm geführte Partei so viel zu tun wie die deutsche Energiepolitik mit Rationalität, aber reden kann er.

Er eröffnete mit der Feststellung, dass wir uns in einem Energiekrieg befänden. Putin wolle einen Teil unseres Wohlstands und vieles von dem, was sich Selbstständige, der Mittelstand und die Industrie in diesem Land mühevoll aufgebaut hätten, vernichten. Aber das ließe die Regierung nicht zu. Um zurückzuschlagen, mobilisiere Deutschland nun all seine wirtschaftliche Stärke. Auf diese Kriegsrhetorik folgte dann ein aus ökonomischer Sicht erstaunlicher Satz. Der Abwehrschirm werde „die Folgen der Knappheiten für die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Wirtschaft abfedern.

200 Milliarden Sondervermögen sind dafür vorgesehen. Die Schuldenbremse halte man aber dennoch ein. Die Gesamtwirtschaft werde durch gezielte staatliche Investitionen gestärkt. Und weil Herrn Lindners Partei mit einem F beginnt, benutzte er dann auch noch öfter in seinem Statement das Wort Freiheit. Erneuerbare Energien sind Freiheitsenergien. Der logische Zusammenhang zwischen diesem Wort und dem, was er vorgestellt hatte, erschloss sich mir jedoch, trotz längeren Grübelns, nicht. Vielleicht habe ich aber auch den Begriff von Freiheit verlernt. Da ich in einem Land lebe, dass mir dereinst nächtliche Spaziergänge verfassungsgerichtlich legitimiert verboten hat, möge man mir das nachsehen. 

Egal wie oft der FDP-Chef „Friedensenergie“ säuselt

Der Gaspreisdeckel soll also Knappheiten abfedern. Wie, zum Teufel? Gehen wir das doch mal durch. Wir haben es mit einem Nachfrageüberhang zu tun. Gas ist knapp. Der Preis steigt. Die gestiegenen Relativpreise sind das Signal, mit dem der Markt die Information „Achtung, Gas ist knapp“ weitergibt. Mit dieser Information kann nun jeder das machen, was seinem Budget und seinen Präferenzen entspricht. Die Nachfrage passt sich an. Es wird weniger Gas verbraucht, und dafür werden mehr Wollpullis getragen. Diese Ausweich- und Einsparmöglichkeit ist aber sehr begrenzt. Irgendwann muss man dann doch die Heizung anschalten. Und einen alternativen Energieträger stampft man auch nicht so einfach aus dem Boden, egal wie oft der FDP-Chef „Friedensenergie“ säuselt.

Ökonomisch ausgedrückt, ist die Preis- und Substitutionselastizität der Nachfrage nach Energie – nicht nur nach Gas – starr. Wie starr, lässt sich nicht genau sagen. Die Messung ist kompliziert. Neuere Studien gehen von einer elastischeren Nachfrage nach Energie aus als ältere. Ab einer gewissen Mangellage ist das aber eh wurscht. Und so sehr, wie die läppischen 137.000 Kubikmeter LNG Lieferungen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten vor ein paar Tagen gefeiert wurden, scheint bei der Energieversorgung nur noch das Prinzip Hoffnung zu gelten. Handelt es sich dabei doch um 0,18 Prozent des Brennwerts des zu ersetzenden russischen Gases in Terrawattstunden. 

Bevor aber das Preissignal deutlich macht, wie ernst die Versorgungslage wirklich ist, wird es lieber gleich ausgesetzt. Christian Lindener sagt, er federe Knappheiten ab. In Wirklichkeit verschleiert er sie nur. Wie jede Zentralverwaltungswirtschaft verwaltet der den Mangel. Mehr nicht. Damit frierende und verarmte Bürger im Winter nicht auf die Straße gehen, rationiert die Politik die Energie. Sie teilt zu. Der Staat legt einen Basisverbrauch fest, für den die Gaspreisbremse gilt. Alles darüber hinaus ist Luxus. Jetzt stellt sich nur die Frage, wieso den Haushalten und Unternehmen nicht zugetraut wird, ihren Basisverbrauch entsprechend des Preissignals selbst zu setzen. Man sollte doch meinen, dass sie das viel besser wüssten als irgendwer sonst. Dass das nicht möglich ist, zeigt, wie knapp das Angebot wirklich ist. Gaspreisbremse klingt viel schöner als das, was es ist: Rationierung.

Das größte Ziel ist es, die Haushalte ruhig zu halten

Wie wird das ablaufen? Na, so unauffällig wie möglich. Nicht erst seit Corona wird die Verquickung von Geld- (*siehe Schlussbemerkung) und Fiskalpolitik als „Lösung“ des Knappheitsproblems großzügig genutzt. Das größte Ziel ist es, die Haushalte ruhig zu halten. Proteste auf der Straße sind unschön. Mit Knappheit, Mangel und Verlusten gewinnt man keine Wahlen. Wir sind alle schon längst real ärmer geworden. Und nein, daran ist nicht Putin schuld. Aber merken sollen sie das nicht. Das am 19. September von der Europäischen Kommission vorgestellte Notfallinstrument für den Binnenmarkt zeigt, wo die Reise hingeht. In „Notfällen“ sieht dieser Gesetzentwurf tiefgreifende Eingriffe in die Privatwirtschaft vor. Es ist dabei an der Kommission zu definieren, wer was produzieren darf oder soll. Der Staat kann Knappheiten in der Gasversorgung für Haushalte dadurch abfedern, dass er bestimmten Unternehmen gar kein Gas mehr zuteilt. Natürlich bei entsprechender Entschädigung. Knappheiten werden mit Fiskalpolitik gelöst.

Seit Corona sind es viele gewöhnt, nicht zu arbeiten und dennoch Geld zu bekommen. Dass sie dadurch keinen Deut reicher geworden sind, da lediglich weniger produzierten Waren mehr verteiltem Geld gegenüberstehen, sollen sie möglichst lange nicht bemerken. Christian Lindners Ausdruck des Energiekrieges passt zumindest zum neuen Verteilungssystem. Willkommen in der Kriegswirtschaft. Das erste Mal seit dem Zweiten Weltkrieg brauchen wir wieder Bezugsscheine. Seine Bezeichnung der erneuerbaren Energien als Freiheitsenergien zeigt, dass der Irrsinn, der Ideologie über Physik stellt, in Deutschland noch so lange gehen wird, bis der Letzte das Licht ausmacht.

*Anmerkung zu oben „Geldpolitik“:

In seiner Stellungnahme erwähnte Finanzminister Lindner mehrfach, dass die deutsche Haushaltspolitik nicht vergleichbar mit der britischen sei. Nach der Ankündigung eines schuldenfinanzierten Minibudgets schmierten das Pfund und Staatsanleihen – so genannte Gilts – ab. Die Bank of England musste mit Ankäufen in Höhe von 65 Milliarden Pfund intervenieren. Lindner stellte das 200-Milliarden-Paket als ein klares Signal an die Kapitalmärkte dar, dass die „deutschen Staatsanleihen der Goldstandard in der Welt“ blieben. Warum man das auch anders sehen kann, dazu mehr in den nächsten Tagen.

Foto: Tim Maxeiner

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